Donnerstag, 15. Oktober 2009

The Parkour & Freerunning Handbook


Da in letzter Zeit vermehrt Bücher über Parkour erscheinen, dachte ich mir aus reiner Interesse, dass ich mir mal so ein gedrucktes Machwerk zulege, um mal zu schauen, wie das Thema behandelt wird.

Das Buch, dass ich hier vorstelle, ist englischsprachig und trägt den Titel "The Parkour & Freerunning Handbook" geschrieben von Dan Edwards, der ja auch einer der Coaches bei Parkour Generations ist. Demnach sind auf den Illustrationen auch einige bekannte Gesichter, wie Forrest, Dan Kightley, Stephane Vigroux und Dan Edwards selbst zu sehen.

Im Folgenden gebe ich mal ein kritisches Fazit zu dem Buch.

Aufmachung:

Das Handbook ist vom Layout übersichtlich aufgebaut. Es richtet sich ganz klar an Parkourbeginner bzw. Parkourinteressierte und besticht durch einfache, verständliche Sprache und auf das wesentlich reduzierte Texte in großer Schrift.
Das Format ist meiner Meinung nach, für ein Handbuch, nicht sonderlich clever gewählt, da es mit runden 18 mal 20 cm eher schlecht als recht in eine Tasche passt.
Die Fotos sind nett anzusehen in Momentaufnahme und Komposition und nehmen meistens eine ganze Seite ein, allerdings finde ich, dass sie eher Dekoration als wirkliche Hilfe für den geneigten Leser dienen. Das kommt daher, dass z.B. bei der Erläuterung zum running-jump oder beim cat-leap nur Momentaufnahmen mit dem Fokus auf den Traceur zu sehen sind. Eine Bildfolge, wie man sie aus diversen Skateboardmagazinen kennt, fände ich an dieser Stelle sinnvoller.
Auch die Zeichnungen zu den einzelnen Grundtechniken im hinteren Teil des Buches sind meiner Meinung nach nicht immer nachvollziehbar. Eine Zeichnung muss, zumindest für mich, selbst erklärend sein, und der Begleittext soll nur eine sinnvolle Ergänzung darstellen. Als einigermaßen geübter Zeichner fällt mir auf, dass Stefanie Coltra, die sich für die Illustrationen verantwortlich zeigt, oftmals Fehler in den Proportionen und Perspektiven des Körpers zum Objekt macht. Vorallem beim Katzensprung wird somit der Begleittext unerlässlich für das Verständis der Bewegung.

Inhalt:

Das Buch startet mit einem kurzen Einblick in die Herkunft der Disziplin (Löblich, dass hier David Belle erwähnt wird, da es auch Publikationen gibt, die ihn völlig außenvor lassen) und gibt dann einen Ausblick auf die körpereigene Anatomie und die Sicherheitsmaßnahmen, die man für ein erfolgreiches und gesundes Training treffen sollte, um dann die grundlegenden Basics näher zu erläutern.
Viel Wert wird auch darauf gelegt, das elementare Freiheitsgefühl und den Blickwinkel für kreative Selbstentfaltung in der Bewegung durch Parkour deutlich zu machen. So wird gleich zu Anfang in der Terminologie erklärt, dass Le Art du Deplacement, Parkour und Freerunning eigentlich ein und dieselbe Disziplin bezeichnen, was im Weiteren dadurch unterstützt wird, dass alle drei Bezeichnungen ohne Unterscheidung verwendet werden.
Die vielen Zitate und essentiell anmutenden Lehrsätze über Freiheit, Kreativität und Fortschritt durch das Training lassen die Werbung für eine "urban revolution" auf der Rückseite des Buches nicht nur als bloße Phrase im Raum stehen.
Insofern ist das abschließende Kapitel (wenn man das so nennen kann, da besagte "Kapitel" mitunter recht kurz ausfallen) über die Philosophie hinter Parkour eigentlich schon überflüssig.
Ich für meinen Teil hätte gerne mehr zum Thema Warm-up und warming-down gelesen, da man gerade von PKgenerations erwarten würde, dass sie hier einen besonderen Schwerpunkt setzen. So wird leider nur ein kleiner Ausblick darauf gegeben und im weiteren wird dazu geraten, auf jeden Fall ein solches Trainingsrogramm durchzuziehen während man Anfangs auf maximal Sachen und hohe Drops verzichten solle.
Konkrete Übungen werden aber nicht wirklich erläutert, was gerade bei Anfängern für Schwierigkeiten sorgen kann.
Sowieso hatte ich beim lesen oftmals das Gefühl, dass einige, wichtige Dinge viel zu schnell abgeharkt wurden. hier reichen die 144 Seiten auf jeden Fall nicht aus, um wirklich jeden Aspekt von einem guten Parkourtraining zu erklären.
Die Basissprünge und Bewegungen werden widerrum gut erklärt und die Beschreibung gibt auch immer an, dass die Einzelbewegungen nicht für sich stehen sondern nur eingeflochten in einen ganzen Lauf/Kombination als wahres Parkour gelten.
Allerdings finde ich es leicht irritierend, dass die Basics vorgestellt werden um dann erst am Ende des Buches in einem illustierten Tutorial konkret auf die Ausführung einzugehen.
Lobenswert finde ich dann allerdings auch das "Kapitel" über Flow/fluidity, damit der Beginner direkt einen Ausblick darauf bekommt, was das eigentliche Ziel von Parkour darstellt.
Mein letzter Kritikpunkt ist dann aber die Erwartung auf Grund des Titels: (So hab ichs gelernt im Deutschunterricht ;-))
Da es ein Parkour UND Freerunning Handbook ist, finde ich, dass das Thema Akrobatik, kreative Bewegungsformen auf einer Seite gegen Ende des Buches viel zu schnell behandelt wird.
Gut finde ich, dass Edwards schreibt, dass Akrobatik ein eigenes Feld ist, was sogar älter als die jetzige Form des Parkours ist und sich niemand "Freerunner" nennen kann, nur weil er Flips auf der Straße macht.
Da er aber beschreibt, dass seit Anbeginn der Entwicklung der Disziplin Traceure schon Akrobatik und scheinbar uneffiziente Bewegungen in ihr Training einbauten, (was wahr ist, schaut man sich die Yamakasis an) hätte ich es gut gefunden, wenn der Ausblick auf dieses Feld größer ausgefallen wäre, bzw. wenn es das ein oder andere Tutorial mehr geben würde. Nicht nur für Flips im allgemeinen sondern auch für "Schnickschnackmoves" wie Palmspin, und Yamakasi/Helikoptero, zumal er den Reversevault, den ich als kontrovers betrachte, als Basic ja beschreibt. Einfach, um zu zeigen, dass man zwar hart trainiert aber auch frei in seiner Bewegung ist und solche Sachen jederzeit einbauen kann, wenn man denn so will. So schreibt Edwards nur, dass man doch einen Trainier für Akrobatik konsultieren soll, wenn man dergleichen lernen will, wozu ich aus eigener Erfahrng sagen kann, dass dies nicht notwendig ist.

Okay, lohnt es sich das Buch anzuschaffen?
Für jemanden der gewissenhaft und hart trainiert, und das schon über einen längeren Zeitraum, wird sich in dem Buch nichts neues mehr finden. Für absolute bis unerfahrende Einsteiger in die Disziplin könnte das Buch allerdings ganz Interessant sein, zumal es ja immer mal wieder Situationen und auch Leute im allgemeinen gibt, die manches nicht auf Anhieb verstehen und mehrere Informationsquellen brauchen.
Ob man es sich jetzt anschaffen soll oder nicht bleibt jeden selber überlassen. Wer möchte kann es sich aber auch bei Gelegenheit von mir ausleihen.

Hier die Daten zum Handbuch:

The Parkour and Free-running Handbook

written by Dan Edwards
(englischsprachig)
# Paperback: 144 pages
# Publisher: Virgin Books (4 Jun 2009)
# ISBN-10: 0753519682
# ISBN-13: 978-0753519684
ungefähr 11,89 €

Was aber allerdings absolut wichtig ist, und in dem Buch auch (viel zu)kurz erwähnt wird, ist, dass ein Buch oder Videos alleine niemals ein richtiges Training ersetzen können und wer das Glück hat mit erfahrenen Leuten trainieren zu können, soll diese Gelegenheit auf jeden Fall wahrnehmen. Die individuelle Wahrheit über die Disziplin und sich selber findet man nicht zwischen den Seiten eines Buches oder im Internet sondern nur dort draußen.


MTW

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